Der Dirigent Sebastian Hernández-Laverny im Gespräch
Andere Dirigenten schmücken Ihre Lebensläufe gerne mit prominenten Meisterkurslehrern. Bei Ihnen findet sich dagegen nicht ein Meisterkurs. Warum nicht?
Ich glaube, dass man Dirigieren nicht erklären kann. Man drückt sich ja mit seinem Körper aus, aber jeder Körper ist anders, jeder fühlt anders, jeder bewegt sich anders. Entscheidend ist, wie ein Orchester klingt. Es ist nicht wichtig, wie man dahin gekommen ist.
Was war denn Ihr wichtigstes Klangerlebnis?
Das war, als ich den Holländer dirigieren durfte. Es war wie eine Droge und doch bleibend. Ich liebe zum Beispiel Puccini und Verdi, aber der Holländer war einmalig. Dieser Klang, der da aus dem Graben kommt, unglaublich, wie ein Schlachtschiff. Ich habe mich teilweise gefühlt wie der Kapitän eines Riesenkreuzers.
Sie waren ja auch als Wagner-Stipendiat in Bayreuth. Haben Sie denn Lieblingskomponisten?
Also von Ravel kenne ich wirklich alles, Strawinsky und Prokofiev schätze ich sehr und auch Richard Strauss finde ich sehr faszinierend. Jemand, der mir natürlich sehr nahe steht ist Bernstein, als Dirigent und Komponist.
Natürlich. Man kann nicht alles mögen. Mit Rossini und Sibelius kann ich wenig anfangen. Was ich auch nicht mag ist ein Teil der sogenannten zeitgenössisch-modernen Musik, die selbsternannte Avantgarde, die einfach über die Köpfe der Menschen hinweg komponiert hat.
Der Markt ist von Dirigenten ja ziemlich gesättigt. Heben Sie sich von der Masse ab?
Nun, das muss meine Musik beantworten. Wichtig ist, dass man große Bögen spannt, dass der Klang sich entfalten kann, dass man Emotion nicht im Keim erstickt. Was ich hasse sind diese Erbsenzähler, bei denen nichts rüber kommt. Viele moderne Dirigenten dirigieren, als hätten sie die Noten mit Sagrotan besprüht. Die tun auf Perfektion, aber für mich ist das nicht perfekt, sondern kalt.
Das kann sein, Gustavo Dudamel kann ich beispielsweise sehr viel abgewinnen.
Was ist denn Ihre Philosophie beim Dirigieren?
Ganz einfach: es muss gut klingen. Das Orchester muss Freude am Spielen haben, dann erreicht es das Publikum. Ein zweiter Punkt ist, dass ich mich dem Komponisten gegenüber verantwortlich fühle. Ich versuche immer herauszufinden, was der Komponist wollte. Deshalb vergewaltige ich keine Stücke, nur um die Presse auf mich aufmerksam zu machen. Wenn ich kreativ sein möchte, komponiere ich einfach selber.
Sie machen im Moment wahnsinnig viel. Sie sind Dirigent, Chordirektor, Jazz-Pianist, sie arrangieren und komponieren. Wollen Sie nicht einmal Prioritäten setzen?
Im Moment bin ich sehr froh, dass ich meine vielen Interessen unter einen Hut bringen kann. Ich wollte nie das Dirigieren alleine fokussieren. Für mich gehört das alles zusammen. Durch meine Tätigkeit als Chordirektor weiß ich nicht nur, wie Solisten ticken, sondern auch, wie man einen Chor auf der Bühne zu dirigieren hat. Deshalb dirigiere ich gerne Musiktheater. Und durch den Jazz weiß ich, wie man Musicals dirigiert. Durch das Komponieren weiß ich, in Formen zu denken und durch das Dirigieren weiß ich, wie Orchester klingen können. Dadurch verbessere ich meine Arrangements. Sie sehen, das befruchtet sich alles gegenseitig. Das ist schließlich alles Musik.
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